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My Lyric
Von der Liebe
Wenn die Liebe
dich ruft, folge ihr,
sind ihre Wege auch schwer und steil.
Und wenn ihre Flügel dich umarmen, gib dich ihr hin.
Und spricht sie zu dir, schenk ihr Glauben.
Mag auch ihre Stimme deine Träume zerschlagen
wie der Nordwind den Garten verwüstet.
Denn so, wie die Liebe dich krönt, wird sie dich kreuzigen.
Wenn du aber aus Angst nur den Frieden und die
Freude der Liebe erstrebst,
dann ist es besser, wenn du das Haus der Liebe verlässt
und hinaustrittst in die Welt ohne Jahreszeiten,
wo du lachen wirst, aber nicht all dein Lachen,
weinen wirst, aber nicht all deine Tränen.
Und denke nicht, du kannst den Gang der Liebe
bestimmen,
denn die Liebe bestimmt, wenn sie dich würdig findet, deinen Gang.
Die Liebe gibt nichts als sich selbst, und sie
nimmt nur von sich selbst.
Liebe besitzt nicht, noch will sie besessen werden.
Liebe hat keine andere Sehnsucht als sich selbst zu erfüllen,
denn der Liebe ist die Liebe genug.
Khalil Gibran: Der Prophet
Weltseele
Verteilet
euch nach allen Regionen
Von diesem heilgen Schmaus!
Begeistert reißt euch durch die nächsten Zonen
Ins All und füllt es aus!
Schon schwebet ihr in ungemeßnen Fernen
Den selgen Göttertraum,
Und leuchtet neu, gesellig, unter Sternen
Im lichtbesäten Raum.
Dann treibt ihr euch, gewaltige Kometen,
Ins Weit und Weitr hinan;
Das Labyrinth der Sonnen und Planeten
Durchschneidet eure Bahn.
Ihr greifet rasch nach umgeformten Erden
Und wirket schöpfrisch jung,
Daß sie belebt und stets belebter werden
Im abgemeßnen Schwung.
Und kreisend führt ihr in bewegten Lüften
Den wandelbaren Flor
Und schreibt dem Stein in allen seinen Grüften
Die festen Formen vor.
Nun alles sich mit göttlichem Erkühnen
Zu übertreffen strebt;
Das Wasser will, das unfruchtbare, grünen,
Und jedes Stäubchen lebt.
Und so verdrängt mit liebevollem Streiten
Der feuchten Qualme Nacht;
Nun glühen schon des Paradieses Weiten
In überbunter Pracht.
Wie regt sich bald, ein holdes Licht zu schauen,
Gestaltenreiche Schar,
Und ihr erstaunt, auf den beglückten Auen,
Nun als das erste Paar,
Und bald verlischt ein unbegrenztes Streben
Im selgen Wechselblick.
Und so empfangt mit Dank das schönste Leben
Vom All ins All zurück.
Johann Wolfgang von Goethe
Dunkel war´s, der Mond schien
helle...
Dunkel war's,
der Mond schien
helle,
Schneebedeckt die grüne Flur,
Als ein Auto
blitzesschnelle
Langsam um die Ecke fuhr.
Drinnen saßen stehend Leute
Schweigend ins Gespräch
vertieft,
Als ein totgeschossner Hase
Auf der Sandbank
Schlittschuh lief.
Und der Wagen fuhr im Trabe
Rückwärts einen Berg
hinauf.
Droben zog ein alter Rabe
Grade eine Turmuhr auf.
Ringsumher herrscht tiefes Schweigen
Und mit fürchterlichem
Krach
Spielen in des Grases Zweigen
Zwei Kamele lautlos Schach.
Und auf einer roten Bank,
Die blau angestrichen war
Saß ein
blondgelockter Jüngling
Mit kohlrabenschwarzem Haar.
Neben ihm 'ne alte Schachtel,
Zählte kaum erst sechzehn
Jahr,
Und sie aß ein Butterbrot,
Das mit Schmalz bestrichen
war.
Oben auf dem Apfelbaume,
Der sehr süße Birnen trug,
Hing
des Frühlings letzte Pflaume
Und an Nüssen noch genug.
Von der regennassen Straße
Wirbelte der Staub empor.
Und
ein Junge bei der Hitze
Mächtig an den Ohren fror.
Beide Hände in den Taschen
Hielt er sich die Augen zu.
Denn
er konnte nicht ertragen,
Wie nach Veilchen roch die Kuh.
Und zwei Fische liefen munter
Durch das blaue Kornfeld
hin.
Endlich ging die Sonne unter
Und der graue Tag erschien.
Verfasser unbekannt
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